Tredeschin – Singspiel der 4. Klasse

Mit einer leuchtend roten Mütze auf dem Kopf fidelte, sang, fegte und trickste Tredeschin, der „Dreizehnte“, begleitet vom Chor der 4. Klasse am 25. März auf der Bühne der RSSK. Das gleichnamige Singspiel unter der musikalischen Leitung von Peter Appenzeller füllte gleich zweimal den Grossen Saal unserer Schule – nicht nur mit Zuschauer*innen, sondern auch mit dem Klang einer besonderen Mischung an Instrumenten.

Gian, Duri, Alesch, Andrin, Jon-Peider, Niculin, Giusep, Flurin… Wo soll die Familie nur einen weiteren Jungennamen hernehmen, es sind doch bereits alle verbraucht? Am Anfang der Geschichte steht sein Name: Tredeschin, auf Rätoromanisch der „Dreizehnte“. Das ist praktisch, denn er ist das dreizehnte Kind in der Familie, und zugleich regt die Zahl 13 zum Nachdenken an. Als einer, „dem immer was einfällt“, wird er von Oliver van der Waerden, Klassenlehrer der 4. Klasse, in seiner Begrüssung charakterisiert und schnell zeigt sich auf der Bühne, was damit gemeint ist. Kaum aus der Wiege, fällt Tredeschin ein, dass er von der Abenteuerlust gepackt mit seiner Geige und seiner fröhlichen Stimme an den Hof des französischen Königs ziehen will. Auf seiner Reise verkörpern ihn verschiedenen Schüler*innen der Klasse. Die rote Mütze wandert als Erkennungszeichen hin und her. Am Hofe des Königs ist der Schreiber über das Auftauchen Tredeschins gar nicht erfreut, will er doch Liebling des Königs bleiben. Er überlegt sich eine List, wie er Tredeschin loswerden kann und setzt dem König einen Floh ins Ohr: der Schimmel des Zauberers sei das wunderbarste Ross weit und breit. Ihn zu bekommen allerdings nahezu unmöglich. „Das isch öppis für mich“, denkt sich Tredeschin und sein erstes Abenteuer beginnt. 

Von Flöhen 

Einen Floh ins Ohr setzte Peter Appenzeller auch Oliver van der Waerden beim Abschlusskonzert des Musiklagers der 7. Klasse in Scoul, als die beiden langjährigen Freunde sich über die Idee eines musikalischen Projekts in der 4. Klasse erstmals austauschten. Die Zusammenarbeit war schnell besiegelt, das Stück schnell gewählt. „Tredeschin“ sollte es sein. In den 1990er Jahren komponierte der Musikpädagoge und Musiklehrer an der Züricher Steiner Schule Peter Appenzeller die Kantate aus einem recht einfachen Grund: Er war auf der Suche nach einem Stück, um es mit Kindern aufzuführen, und fand nichts Geeignetes. Entweder waren die Melodien und Themen zu seicht oder es war ein Stück, das zwar Erwachsenen gefällt, aber nicht altersgemäss ist in Harmonie, Rhythmus und Inhalt. In Konrad Englerts „Schweizer Märchen“ fand er Tredeschins Geschichte und den perfekten Text für sein Singspiel. Vieles aus der direkten Rede konnte er übernehmen, manches musste er noch etwas im Rhythmus anpassen, um daraus die erzählenden Lieder für die Bühne zu formen. Sie sollten „abwechslungsreich sein und die verschiedenen Stimmen der Figuren zum Ausdruck bringen“, erklärt Peter Appenzeller. So entstand ein Stück mit „Leichtigkeit im Ganzen“ wie es Oliver van der Waerden ausdrückt, das „nicht banal ist und das die Kinder gleichzeitig erfüllen können“.

Ein Schimmel, ein Papagei und ein Zauberer

Leicht und frech erklingt dann auch schon die Melodie des Papageis, des aufmerksamen Wächters auf dem Schloss des Zauberers, als Tredeschin mit dem Schimmel mit den umwickelten Hufen an den schlafenden Dienern vorbeischleichen will. Mit bedrohlichen Tönen, einlullend und dunkel „betritt“ der Zauberer durch die Stimmen des Chors die Bühne, die Kinder bewegen lockend die Arme. Zwischen Papagei und Zauberer schwebt die „neue, hervorblühende Stimme Tredeschins“, so Peter Appenzeller, der durch die Publikumsreihen „davonreitet“ und zum Schloss des Königs zurückkehrt, wo schon die nächste hinterlistige Aufgabe des Schreibers auf ihn wartet: des Zauberers Himmelsdecke ist der neue Floh in des Königs Ohr und Tredeschins zweites Abenteuer. 

Von der Harfe bis zum Schwyzerörgeli

In den Liedern passiert die Geschichte – im leiser und lauter werdenden Gesang, in der Komik der Bewegungen, die organisch aus dem Chor kommen – ein hüpfendes Hicksen der betrunkenen Diener, ein Trampeln, ein Wiegen. Dazwischen erzählt Peter Appenzeller, was für das Märchen wichtig ist, und nicht mit dem Gesang transportiert wird – immer ein wenig anders, immer mit Details, die zum Schmunzeln anregen, immer mit spontanen Reaktionen. Man merkt, wie vertraut ihm die Geschichte Tredeschins ist. Kein Wunder, seit er das Singspiel komponierte, wurde es immer wieder aufgeführt, sogar ins Italienische übersetzt. Neu kam die Ouvertüre hinzu, die eigens auf die Viertklässler*innen zugeschnitten ist. Schon bei seinem ersten Besuch in der Klasse, war Peter Appenzeller klar, „dass wir sehr musikalisch sind“, berichtet eine Schülerin. Harfen, Geigen, Kontrabass, Horn, Saxophon, Klavier, Gitarre, Hackbrett, Schwyzerörgeli – all diese Instrumente brachten Schüler*innen von Zuhause bereits mit. Hinzu kamen Xylophon und Flöten unterschiedlichster Art und Größe und sogar ein Streichpsalter für die Schüler*innen, die noch kein eigenes Instrument spielten. Peter Appenzeller ist begeistert: „Ich hab wahnsinnig Freud an der Kombination der Instrumente. Jeder trägt etwas bei!“ Und weil alle solch einen Spass am Musizieren hatten, fanden während der Proben einige Soloauftritte ihren Weg ins Stück: Zwei Schülerinnen lassen die Harfen erklingen, eine Schülerin spielt auf ihrem Schwyzerörgeli und der Chor schunkelt dazu, Horn und Saxophon untermalen die Szene mit dem Papagei. 

"Die Deck isch weg“ 

Dieser Papagei schreit auf dem Schloss des Zauberers schon wieder, als es Tredeschin gelingt, die Himmelsdecke dem schlafenden Zaubererpaar zu stibitzen, indem er einen Streit der beiden um ihre Decke provoziert. Rhythmisch ziehen vier Schüler*innen ein Tuch mit Sternenmuster hin und her, wütende Töne kommen vom Chor, dazu ein Stampfen. Tredeschin kann entkommen und kehrt mit der Himmelsdecke zum Hof des Königs zurück. Es gibt ein grosses Fest im Schloss, zu dem noch einmal die besondere Mischung der Instrumente aus der Ouvertüre auf der Bühne zusammenkommt. 

Üben, üben, üben

Seit Herbst probte die Klasse für die Aufführungen, berichtet Oliver van der Waerden. „Die Lieder haben wir alle laufend mit der Gitarre eingeübt, die Instrumentalstücke ebenfalls über viele Wochen zusammen und individuell.“ Viele blieben zum Üben noch nach dem Unterricht in der Schule, einige fingen an, ein Instrument neu zu lernen. Sogar in der evangelischen Kirche in Kreuzlingen fand eine Probe statt – eine Erfahrung, bei der „die Kinder ihre Stimmen noch einmal ganz anders erleben konnten“, sagt der Klassenlehrer. 

Auch der Text für die Spielszene zu Beginn des Stücks zwischen Vater und Mutter – zum Teil auf Rätoromanisch – wurde geübt. „Die ganze Klasse hat geholfen – so fleissig, dass zuletzt eigentlich jedes Kind jede Rolle hätte spielen können“, berichtet Oliver van der Waerden. Eigentlich war die Szene gar nicht vorgesehen. Peter Appenzeller plante zuerst eine rein musikalische Aufführung. Aus Erfahrung weiss er, wie schwer es für die Schüler*innen in diesem Alter ist, „ihre Stimme bei sich zu behalten“, im Fluss des Gesangs zu bleiben und sich nicht vom Schauspiel zu sehr ablenken zu lassen. „In der 4. Klasse ist es zu früh für ein echtes Schauspiel. Viele haben noch nicht die Präsenz und die Stimme für einen Saal wie unseren“, pflichtet Oliver van der Waerden bei. Doch „die Kinder wollten das unbedingt. Und ich hatte ihnen bereits ein Bühnenstück versprochen.“ Also gab es einen Kompromiss für die „paar kleinen entsprechenden Talente in der Klasse“.

Musik und Freundschaft

Von seinen Besuchen in der Klasse schwärmt Peter Appenzeller: „Es war immer eine absolute Bereitschaft da, als ich kam. Ich war dann auch öfter da, als ich mir vorgenommen hatte.“ Die Chemie stimmte. „Die Kinder haben Herrn Appenzeller als Menschen ins Herz geschlossen. Das ist ja überhaupt das Schönste, wenn die musikalische Arbeit und das menschliche Interesse miteinander Hand in Hand gehen!“, beobachtet Oliver van der Waerden. Zur guten Stimmung trug ebenfalls bei, dass die Kinder im gegebenen Rahmen sehr viel selbst mitgestalten konnten. Immer wieder kamen neue Regieangaben. Sogar kurz vor der Schüler*innenaufführung am Morgen eine letzte – viel zu spät, trotzdem setzen die Kinder sie unabgesprochen zur Überraschung ihres Lehrers einfach um. Peter Appenzeller ist sicher: „Eigentlich sollte man in jeder Klasse so etwas machen. Es schmiedet die Schüler*innen harmonisch zusammen.“

Nimmermehr, nimmermehr

Bis zur Harmonie auf der Bühne fehlt für Tredeschin noch eine letzte Aufgabe. Dieses Mal ist es der Papagei, der es dem König angetan hat. Tredeschin wäre nicht Tredeschin, wenn ihm hierfür nicht auch etwas einfallen würde. Er füttert dem Papagei so viele Zetli und stopft ihm damit den Schnabel, bis der Vogel die Süssigkeiten wieder von sich gibt und Tredeschin ihn aus dem Schloss des Zauberers schmuggeln kann. Kehrt er nochmal zurück? „Nimmermehr, nimmermehr…“, singt der Chor und flugs reitet Tredeschin von dannen, begleitet vom schnalzenden Hufeklappern aus den Mündern der Viertklässler*innen. Mit der Hochzeit Tredeschins und der Prinzessin und mit großem Glockengeläut, die 4. Klasse schwingt unterschiedlich große English Hand Bells, endet das Stück und mündet in ausgiebigen Applaus. 

Am nächsten Morgen ist neben der Freude, dass alles gut geklappt hat, auch „eine leise Wehmut bemerkbar, eine Art ‚Kater’“, wie Oliver van der Waerden so schön sagt. „Aber die Musik wird in den Kindern weiterklingen, und nichts davon geht verloren!“ 

Text und Fotos: Anika Mahler

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