Rückblick Klassentheater 7. und 8. Klasse:
"Die verschwundene Miniatur" von Erich Kästner


Es ist Freitag, später Nachmittag, kurz vor der ersten öffentlichen Aufführung des Theaterstück „Die verschwundene Miniatur“ der 7. und 8. Klasse. Hinter den Kulissen wird geschminkt, Haare werden hochgesteckt, Texte noch einmal Probe gesprochen und Kostüme angezogen. Vor den Kulissen probt Regisseur Cornelis Rutgers noch eine letzte Szene mit einigen Schüler*innen. Christoph Steins, Klassenlehrer der 8. Klasse, prüft die Beleuchtung, Minka Maier, Klassenlehrerin der 7. Klasse, kümmert sich um die Requisiten. „Hitzige strahlige stachelige, sturzstrenge Stützen..“ – es folgt das Einsprechen und dann kurz vor 18.00 Uhr ist es soweit: Cornelis Rutgers gibt den Eingang frei. Einige Schüler*innen schauen neugierig um die Ecke. Dann rennen sie zurück zu ihren Klassenkamerad*innen: „Er macht die Tür auf!“ Man spürt die Aufregung und die Freude darüber, dass es nun endlich richtig los geht. Im abschliessenden Kreis gibt es die letzten Tipps: „Vergesst nicht zu atmen!“ – und nach einem gemeinsamen „Toi, toi, toi!“ geht es raus auf die Bühne.

 

Im Hotel d'Angleterre

Im Hotel d'Angleterre/ Kopenhagen beginnt das Stück um Metzgermeister Oskar Külz, den der Gesang einer Amsel aus seinem um „Wurstspellen, Eisschränke, Hackklötze, Darmbestellungen und Pökelfässer“ kreisenden Leben reisst. Er verschwindet zuhause und gerät mitten in ein Verwirrspiel um eine wertvolle Miniatur, die von der Sekretärin des Kunstsammlers Herr von Steinhövel zu ihrem Besitzer gebracht werden soll, und auf die es offenbar einige zwielichtige Gestalten abgesehen haben. Eine abenteuerliche Reise beginnt.

Schon bald wird im Publikum gelacht. Man spürt das Aufatmen der Schüler*innen und von Minka Maier. Die Zuschauer*innen haben sich die einleitenden Worte der Klassenlehrerin zu Herzen genommen: „Es darf ausdrücklich gelacht werden!“. Für die Jugendlichen ist die unmittelbare Reaktion des Publikums enorm wichtig. „Auf der Bühne sind sie den Blicken einer schwarzen Masse ausgeliefert, in der sie keine Gesichter oder Mimik erkennen können. Das Lachen zeigt ihnen, dass das Publikum ins Stück eingestiegen ist, und so gelingt es ihnen auch, alle Bedenken zu vergessen und sich voll auf die Rolle einzulassen.“, berichtet Minka Maier. Auch die anfängliche Sorge, mit dem Theater zu langweilen, ist damit vergessen. Schliesslich wollten die Schüler*innen von Anfang an, ein unterhaltsames Stück auf die Bühne bringen, das zugleich eine Art Krimi sein sollte. Nach diesen Vorgaben und weiteren Überlegungen wie die Anzahl der Rollen durchforstete Minka Maier zahlreiche Theatervorlagen und schränkte die Auswahl schliesslich auf drei Stücke ein, die im Unterricht gelesen wurden. In der gemeinsamen Abstimmung fiel die Entscheidung auf „Die verschwundene Miniatur“ von Erich Kästner.

 

Im Zug

Auf der Bühne treffen sich Oskar Külz und Gauner Storm im Zug wieder. Nach und nach kommen weitere Figuren dazu und setzen sich in verschiedene Abteile – ganz schön viele Rollen, die erst einmal verteilt werden mussten. „Es durften drei Rollenwünsche geäussert werden und wir haben geschaut, dass mindestens einer erfüllt wurde.“, erklärt Frau Maier das Vorgehen bei der Rollenverteilung. „Wir hatten Glück, dass alle Wünsche erfüllt werden konnten. Es gab keinen Neid gegenüber den grossen Rollen, die Schüler und Schülerinnen gingen sehr sozial miteinander um.“ Jeder hatte zwei Rollen, die gelernt werden sollten in zwei Besetzungen. „Dadurch wurden alle noch stärker ins Stück involviert. Sie waren auch immer dabei, wenn die andere Besetzung mit den Proben an der Reihe war und konnten sich so noch einmal anders mit ihrer Rolle auseinandersetzen und auch etwas abschauen.“

 

Auf dem Schiff

Das Schiff schwankt, so auch die Gefühle und Eindrücke, die die Schüler*innen mit den Proben verbinden. Schon nach den Herbstferien ging es los: Einmal in der Woche wurde mit Cornelis Rutgers geprobt. Seit 2000 setzt der erfahrene Regisseur das Achtklassspiel zusammen mit den Schüler*innen um, auch für Klassenspiele der 10. Klasse war er schon zur Unterstützung an der Schule. Vier Wochen vor der ersten Aufführung starteten dann die Intensivproben. Der Text musste dafür natürlich schon längst sitzen. Fürs Texte lernen war der Einsatz der Eltern gefragt oder der der Mitschüler*innen: „Ich habe meinen Text meistens mit anderen Klassenkameraden gelernt.“ berichtet eine Schülerin. „Wir haben uns gegenseitig die Texte abgefragt“.

Über die Proben erzählen viele Schüler*innen, es sei „anstrengend“ gewesen und man habe „Ausdauer und Geduld“ gebraucht, aber das viele Lachen scheint dennoch an erster Stelle zu kommen: Einmal „mussten wir eine ernste Szene durcharbeiten, aber wir haben es nicht hingekriegt, weil wir alle geheult haben vor Lachen. Wir konnten nicht mehr sprechen.“ „Es hat mir sehr viel Spass gemacht, mit allen zusammen zu proben und zu sehen, wie etwas Gemeinsames entsteht. Ich fand es auch sehr lustig und musste oft lachen.“ sagt eine weitere Schülerin. Auch für Minka Maier waren die Vorbereitungen zum Theaterstück etwas Besonderes: „Für mich war es schön, dass man den Schülern und Schülerinnen auf einer anderen Ebene begegnet. Es war ein gemeinsames Projekt und nicht etwas, das der Lehrer allein macht. So ist eine tolle Stimmung entstanden.“

Auf dem Kostümball

Umbau zur nächsten Szene: Stühle werden in Position gebracht, Requisiten platziert, hinter der Bühne werden Kostüme gewechselt, Girlanden heruntergelassen. Jeder Handgriff sitzt. Schliesslich wurde auch der Umbau des Bühnenbilds oft genug geprobt. Im Hintergrund hatte jeder seinen Stuhl mit den Requisiten und der Kleidung für seine Rolle. „Die Schülerinnen und Schüler waren sehr selbständig und haben mitgedacht. Irgendwann wusste jeder, was er zu tun hat. Bei den Umbauproben rief einmal ein Schüler: „Wir werden immer schneller.“, erinnert sich Minka Maier. Und schon geht es weiter ins Polizeirevier nach Brüssel...

Im Polzeirevier in Brüssel

Der Vorhang öffnet sich wieder. An der Wand hängt eine Landkarte, daneben ein Porträt, ein Aktenschrank ist aufgemalt, davor steht ein Tisch mit Schreibmaschine und Telefon mit Wählscheibe – Christoph Steins, Klassenlehrer der 8. Klasse, übernahm die Detailplanung der Kulisse und gestaltete zusammen mit den Schüler*innen, die gerade nicht bei den Proben gebraucht wurden, das Bühnenbild. Eine Schülerin berichtet: „Mir ist es leicht gefallen zu proben, wenn ich morgens bei Herrn Steins war und gemalt habe.“ Auch an den Kostümen waren die Schauspieler*innen selbst beteiligt: Sie entstanden gemeinsam im Handarbeitsunterricht mit Lehrerin Anna-Katharina Tschudin.

Im Ganovenbus

Nun heisst es gleich für 11 Schüler*innen, in ihre Ganovenkostüme zu schlüpfen. Aus Stühlen und einem Lenkrad entsteht ein Ganovenbus und den Schauspieler*innen steht eine wilde Fahrt bevor. Hier können die Schüler*innen richtig aus sich herausgehen. Sie werfen sich hin und her, man sieht ihnen den Spass an der Szene an.

Nicht von ungefähr steht in der 8. Klasse traditionell das Theaterspielen in der Steinerschule auf dem Stundenplan. Es ist eine Zeit, in der die Jugendlichen meist auf der Suche nach sich selbst sind und sich dabei eher in sich zurückziehen. Oft werden ihre Gefühle hin und her geworfen wie bei einer rasanten Fahrt im Ganovenbus. Für viele bedeutet auf der Bühne zu stehen, eine unglaubliche Überwindung. „Das Theaterspielen ist eine schöne Chance für dieses Alter, in dem man eigentlich nichts von sich preisgeben möchte und eine grosse Unsicherheit herrscht. Die Schüler und Schülerinnen können in eine andere Rolle schlüpfen, einen Schritt von sich wegtreten und so Emotionen ausleben, die aber nicht an ihre Person gekoppelt sind.“, hat Minka Maier beobachtet. „Am schwierigsten sind die Szenen, in denen es intim wird, wie bei Umarmungen auf der Bühne oder Rudi Struves Schwärmerei für Irene Trübner.“

 

Im Hotel

Nach über zwei unterhaltsamen Stunden wartet im Hotel das Finale auf die Protagonisten: Alle Verwirrungen lösen sich auf, die Miniatur geht an ihren Besitzer, der wahre Täter wird gefasst – geschafft! Das Ensemble erntet den verdienten Applaus. Erleichterung, Zufriedenheit und Freude machen sich unter den Schüler*innen breit. Ihre Eindrücke während der Aufführung fasst Minka Maier so zusammen: „Es war schön zu beobachten, wie die Augen zu leuchten begannen, man merkte den Schülern und Schülerinnen richtig ihre Freude an und konnte sehen, wie sie in der Rolle gewachsen sind, von aussen beobachten, was innerlich passiert.“ Der Vorhang schliesst sich ein letztes Mal.


Einige Stimmen der Schüler*innen nach den Aufführungen: „Nach der Aufführung war die Freude voll da. Es hat sich angefühlt, als würde einem ein Stein vom Herzen fallen!“ – „Super, super Gefühl danach!“ – „Schade finde ich, dass es nur so wenige Aufführungen waren.“ – „Ich wusste gar nicht, dass man hinter der Bühne bei den Aufführungen so viel Spass haben kann.“ – „Mir ging es super!“ – „Vor der Aufführung war ich ein wenig aufgeregt, aber sobald ich auf der Bühne stand, war ich hochkonzentriert.“ – „Anfangs ist es mir schwer gefallen, besoffen zu spielen. Doch am Ende hat es doch ein bisschen besser geklappt als ich dachte.“ – „Nach der Aufführung war ich sehr erleichtert, dass es vorbei ist, aber es war auch ein bisschen schade.“ – „Ich bin froh, dass wir die Aufführungen jetzt hinter uns haben.“ – „Irgendwie hat man dann erst bemerkt, wie cool das Projekt war.“ – „Nach der Aufführung war ich zugleich erleichtert, müde und auch ein bisschen traurig, weil es vorbei war.“ – „Nach der Aufführung ging es mit sehr gut. Ich fand es schön zu sehen, wieviel Freude die Zuschauer hatten. Und es war schön zu sehen, was entstanden ist.“

 

Text: Anika Mahler (Gruppe für Öffentlichkeitsarbeit)
Fotos: Anika Mahler, Minka Maier

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